Wildes Hohe Venn

Die Landschaft des Hohen Venns begeistert immer wieder Besucher. Stellt es doch für sie ein letztes Stück „wilde Natur“ dar, in dem er noch frei atmen kann. Obwohl der Mensch die Landschaft seit dem 15. Jahrhundert enorm zugesetzt hat, finden wir noch wilde und urwüchsige Areale. So sind die Hochmoore noch echte, natürliche Landschaften, die sich in Jahrhunderten von selbst gebildet und die nur wenige oder keine menschliche Einflussnahme erfahren haben.

Der Begriff „Venn“ geht auf das lateinische Wort „fania“ zurück, das sehr eng mit der Vorstellung mooriger oder sumpfiger Landschaft verbunden ist. Diesen Umstand können wir bei der heutigen Wanderung voll und ganz nachvollziehen, denn die teilweise vor Nässe triefenden Pfade fordern so manche Geschicklichkeit und wird dort oft zu einem Abenteuer. Der „Mont Rigi“ an der Landstraße zwischen Eupen und Malmedy ist mit seinen 675m einer der höchsten Punkte Belgiens und liegt nur wenige hundert Meter entfernt vom 694m hohen „Signal de Botrange“, dem höchsten Punkt Belgiens. 

wild und gespenstig

Der Name leitet sich vom bekannten schweizer Berg, dem Rigi am Vierwaldstätter See ab. Ausgedacht hat sich dies der damalige Bürgermeister von Waimes, der in seiner Gemeinde einige Orte nach solch illustren Namen benannte. Nach Fertigstellung der Landstraße im Jahre 1856 wurde am Mont Rigi erstmals eine Herberge und Pension errichtet. Diese diente Menschen und Pferden als Rastmöglichkeit auf der beschwerlichen Reise durch das damals noch völlig unbewaldete Venn. Heute ist es ein touristischer Knotenpunkt und Ausgangspunkt für Wanderungen und auch für uns Startpunkt der heutigen Wanderung.

  Wetterstation am Polleur-Venn                        "Polleur-Venn"                                   ehemaliger Torfstich

 Vom Parkplatz „Mont Rigi“ (675m) gehen wir am Restaurant vorbei und biegen links in den Weg ein, der uns an den Rand des Polleur-Venns führt. Der hier anlegte Rundweg erläutert auf 17 Stationen die wichtigsten Landschaftstypen des Hohen Venns. Der Lehrpfad ist zu jeder Zeit sehenswert und kann selbst dann begangen werden, wenn die Rote Fahne gehisst ist.

Wir wandern auf dem Holzsteg rechts weiter, wo nach wenigen Metern links eine Wetterstation mit zahlreichen Messgeräten zu sehen ist. Rechts das Gebäude gehört der naturwissenschaftlichen Forschungs- und Beobachtungsstation der Universität Lüttich. Der Weg geht auf einem Schotterweg entlang des Venns bis zu einer Informationstafel, hinter der es auf dem Holzsteg weitergeht. Der Steg führt dann nach einer Unterbrechung durch ein kleines Waldstück im weiteren Verlauf zu einem ehemaligen Torfabbaugelände.
Torf ist nichts anderes als der übrig gebliebene Rest aller abgestorbenen und unvollständig zersetzten, jemals hier angesiedelten Pflanzen. Das heißt: hier war einmal ein Hochmoor und die jungen Triebe wuchsen auf den alten Pflanzen in die Höhe. Als Faustregel rechnet man einen Millimeter Höhenwachstum im Jahr. Da wo der Mensch Torf gestochen hat, wurde das Hochmoor entwässert und ist abgestorben. So konnte Heidekraut sich auf den trockenen Rändern ansiedeln.
Der Torfabbau prägte lange Zeit das Gesicht der Landschaft und wurde bis in die 60ziger Jahre des 20. Jhs praktiziert. Die Familien der angrenzenden Orte hatten eine von der Gemeinde verbriefte Abbaustelle. Pro Familie wurden im Jahr 15.000 bis 20.000 Torfbriketts verheizt. 

                          Torf                                                  Eintritt in die Wildnis                        schaumiger Polleurbach

Vor einer weiteren Informationstafel biegt rechts ein Weg ins Polleurtal ab. Dieser ist aber zurzeit (September 2013) gesperr).. So gehen wir 30m weiter und nehmen den hier rechts abzweigenden Steg über den Bach (2,0km, 640m). Gluckernde und plätschernde Geräusche sind rundum zu hören. Das auf der Hochebene sich sammelnde Wasser fließt in Rinnsalen und sich verbreiternde Bächen dem Vennrand zu. Das Wasser ist vom Torf braun gefärbt und mineralarm. Nur wenige Lebewesen können den niedrigen pH-Wert ertragen. Fische kommen in diesen Gewässern deshalb auch nicht vor.
Weißliche Schaumkronen entdecken wir auf dem Wasser. Sie deuten nicht etwa auf Wasserverschmutzung hin, sondern sind ein Zeichen dafür, dass sich im Wasser Stoffe aus lehmigem Untergrund und torfigem Boden miteinander vermischen. In den Strudeln schäumt das Wasser zu einem weißlichen Schaum auf, der sich fettig anfühlt.
Der Pfad wechselt sich immer wieder mit teils wackligen Holzstegen ab und steigt über viele Wurzeln entlang an der steilen Hangkante des Polleurbaches bergan. Unter uns rauscht in einem grünen Dickicht der Bach. Darüber hinaus geht der Blick zur anderen Talseite, die nur sanft ansteigt. Wir haben es hier mit einem asymmetrischen Tal zu tun. Der rechtsseitige Hang des Polleurbaches hat eine sanfte Neigung, während der linksseitige sehr steil ist. Diese Asymmetrie, die sich auch noch weiterentwickelt, ist wahrscheinlich während der letzten Eiszeit entstanden (70000 bis etwa 8000 v.Chr.). Während dieser Periode glitten Gesteins- und Schlammassen langsam, nur wenige cm pro Jahr, den rechtsseitigen Hang hinab. Dieses als „Solifluction“ bezeichnete Phänomen hat dazu geführt, dass das den rechtsseitigen Hang hinabgleitende Material den Bach gegen den linksseitigen Hang gedrückt hat, wodurch dieser seine starke Neigung erhielt.
An kritischen Stellen ist der Pfad mit einem Geländer abgegrenzt. Märchenhaft wirkt der Wald, wenn die Sonnenstrahlen durch das grüne Dickicht ihren Weg suchen und Spinngewebe das Heidekraut gespenstig einhüllt.

           abenteuerlicher Pfad                                "Märchenwald"                              "verwunschenes Heidekraut"

Nach 1 km nehmen wir den rechts hinunterführenden Pfad und stoßen auf eine asphaltierte Forststraße (3,1km, 620m) auf der wir links weitergehen und nun immer dem Wegzeichen grünes Rechteck     letztendlich wieder bis zu dieser Forststraße folgen. 50m rechts die Straße hinunter liegt die Schutzhütte „Longloup“. Die Forststraße führt in einem Halbkreis bergan. Es ist die einzige nennenswerte Steigung heute. Am Ende der Kurve biegen wir auf der Höhe rechts in den zunächst noch 100m asphaltierten Weg ein, den wir am Ende des Waldes links verlassen. Es ist ein nasser und matschiger Graspfad dem wir mit dem    folgen. Am Ende muss noch ein kleiner Bach auf Baumstämmen balancierend überquert werden, bevor wir dann rechts auf einer Vennschneise bequem 1,4km am Setai-Venn entlang wandern. Auch hier deutet eine Abbruchkante im Gelände auf einen ehemaligen Torfabbau hin. Heute prägt eine ausgedehnte Pfeifengras-Steppe die Landschaft, die mit den Jahreszeiten auch ihre Farbe wechselt. Das Pfeifengras ist das Ergebnis von Entwässerung und Übernutzung.

 "anspruchsvolle" Bachquerung                           "Setai-Venn"                                          Heidekraut

Am Ende der Schneise lädt eine Bank (5,3km, 625m), eine Rarität im Hohen Venn, mit einem weiten Blick über das Venn zu einer beschaulichen Rast ein. Weiter führt uns das Wegzeichen rechts in den Fichtenwald bis zu einer Geländekuppe mit einer Wegekreuzung. Hier kann die Wanderung geradeaus um 2km abgekürzt werden. Wir gehen aber links weiter mit   und wandern hier auf einem alten Verbindungsweg, der „alten Vequée", der von Hockai nach Longfaye führte. An einer Kreuzung passieren wir rechts einen an einen Menhir erinnernden aufgerichteten Vennwack. Dieser kambrische Quarzitblock ist einer von vielen, die man in der Vennlandschaft überall verstreut findet. Sie gehören zu den ältesten Gesteinen, die einst aus dem Gebirgssockel des Vennmassivs herausbrachen.

       eine der "sechs Buchen"                                wilder Waldpfad                        Farbtupfer in der günen Wildnis

Nach 300m wandern wir rechts eine Waldschneise hinunter und gelangen zu einem für das Venn untypischen Platz (6,7km, 615m). Denn umgeben von lauter Fichten stehen hier im Rund sechs 250 Jahre alte Buchen (Les Six Hêstres). Einen mystischen, verwunschenen Eindruck macht dieser Platz mit den knochigen, bemoosten Bäumen.  Es waren Hirten, die hier früher mit ihren Herden ihre Mittagsrast machten, denn die Fichten ringsum gab es noch nicht. Zwei Sitzbänke laden auch heute noch ein, aber an denen hat der Zahn der Zeit ebenso genagt wie an den von Wind und Wetter gezeichneten Baumruinen.
Leicht bergab führt der weitere Pfad bis das Wegzeichen    uns rechts weiter leitet. Mountainbiker haben hier in dem weichen Boden ihre Spuren interlassen und den vor Nässe aufgeweichten Erdboden noch mehr geschädigt. Besonders nasse Partien versuchen wir dadurch auszuweichen, dass man am inneren Waldrand entlanggeht, wo der Boden etwas mehr Halt bietet. Nach der Überquerung eines kleinen Bächleins wenden wir uns rechts dem Pfad mit dem weiß-roten Zeichen zu, dem einzigen hier erkennbaren Wegzeichen. Kurz darauf stoßen wir auf einen Waldweg, wo auf der gegenüberliegenden Seite das grüne Rechteck  uns wieder weiterführt. Über Wurzeln und einzelne Stege geht es durch einen lichten Fichtenwald ebenso wildromantisch weiter. Ein rechts vom "Setai-Venn" herunter führender Waldweg, der als Abkürzung gedient hätte, wandern wir links auf einer 50m breiten Schneise leicht bergab weiter, wobei der Blick sich immer mehr öffnet. Am Ende dieser langen Gerade erreichen wir einen quer verlaufenden Weg (8,4km, 575m) und folgen geradeaus dem Pfad in den Wald.

               "Polleurbach"                                          Bachlandschaft                                  Polleurbach mit Steg

Ein kleines Bächlein begleitet uns rechts, das dann überquert werden muss. Hinter dem Holzsteg nehmen wir hier ohne irgendeine Wegmarkierung den Pfad geradeaus. Abenteuerlich geht es jetzt immer in Bachnähe weiter, es ist zunächst die Hoëgne, die nach Zusammenfluss ihrer beiden Quellbäche, Polleur- und  Baraquebach nun zur Weser fließt. Dann geht es auf einem engen verschlungenen Pfad entlang des Polleurbaches. Nass und feucht ist es ringsum. Wasser ist jetzt das alles bestimmende Element. Das Abenteuer Dschungel endet dann zunächst, als wir auf einen Forstweg (9,1km, 575m) stoßen. Hier geht es mit dem bekannten Wegzeichen entspannt links ca. 400m weiter. Dann macht der Weg einen Rechtsbogen und wir folgen über einen kleinen Steg dem   wieder in die Wildnis des Polleurbaches. Stege helfen an besonders matschigen Stellen. Der Bach wird ein letztes Mal überquert und mit leichtem Schritt ist der weitere Pfad jetzt bequem zu gehen. Bevor wir dann wieder auf den anfangs erwähnten asphaltierten Forstweg stoßen (10,4km, 610m), steht links am Wegrand das Briamont Kreuz, das zum Gedächtnis an Albert Briamont, einem Lütticher Vennwanderer, errichtet wurde. Er erlitt dort am 5. Mai 1971 im Alter von 69 Jahren einen Herzschlag, während er einen Brand bekämpfte, den ein zurückgelassenes Militärgerät ausgelöst hatte.

                                  sanfte  und  wilde Wanderlandschaft                                                 Polleur-Venn    
Die vorgesehene Wanderroute geht nun eigentlich auf dem Forstweg rechts weiter bis zum Weg mit der weiß-roten Markierung, die links entlang des Polleurbaches hinauf zum Polleur-Venn und auf dem Rundweg rechts wieder zum Ausgangspunkt führt. Da wir aber schon beim Hinweg feststellten, dass dieser Weg zurzeit gesperrt ist, wählen wir einen anderen Rückweg. Auf dem asphaltierten Weg wandern wir links auch noch mit dem grünen Rechteck markiert weiter Richtung "Baraque Michel" und biegen nach 300m rechts in eine lange Schneise ein, die wir bis zum Ende vorbei an einem Hochstand gehen. Vor uns breitet sich wieder das Polleur-Venn mit seiner rostbraunen Farbe aus. Wir halten uns jetzt links und gelangen über einen nassen Trampelpfad auf eine weitere Schneise, auf der wir nun links am Ende auf unseren Hinweg stoßen und so zu unserem Ausgangspunkt gelangen.
Es war eine abwechslungsreiche mitunter abenteuerliche Wanderung, bei der wir die unterschiedlichsten Facetten dieser Landschaft erlebten.

Information: Die gesamte Wanderung verläuft durch ein Gebiet des Hohen Venns, das keinen besonderen Beschränkungen unterliegt, außer wenn ein Betreten maroder Holzstege zu gefährlich erscheint und deshalb gesperrt werden muss. So ist zurzeit September 2013 der Naturlehrpfad des Polleur-Venns für Rollstuhlfahrer gesperrt. Auch der Weg im Poleurtal  zur Schutzhütte „Longloup“ ist für Wanderer nicht zugänglich. 

Strecke: Rundwanderung 13,5 km, fast nur unbefestigte Wege, Pfade und Trampelpfade teils mit Holzstegen unterbrochen. Markierung: Nach Verlassen des Polleur-Venns     grünes Rechteck folgen.

Wilder Poleurbach

Schwierigkeit: Es ist eine leichte Wanderung ohne große Höhenunterschiede. Trampelpfade erfordern Aufmerksamkeit und Geschick. Allerdings sollte man festes Schuhwerk anziehen, denn nach Regenfällen ist der Boden an vielen Stellen besonders nass. Am besten die Schuhe vorher noch einmal imprägnieren. Auf- u. Abstiege 115m
Einkehrmöglichkeit: keine, daher Rucksackverpflegung. Rastplätze Schutzhütte „Longloup“, Bank am Setai-Venn, Sitzgelegenheit an den „6 Buchen“
Das Lokal "Mont Rigi" wurde Ende 2017 geschlossen, um eine große Renovierung zu ermöglichen. Das Gebäude und das Areal drumherum gehören der königlichen Familie von Katar. Der Emir hatte Mohammed Mesbahi, der lange Zeit das Mont-Rigi verwaltete, Ende 2017 die Kündigung ins Haus geschickt. In dem Gebäude des früheren Mont-Rigi soll ein Hotel mit elf Zimmern und einem Restaurant entstehen. Zudem wird das Parkgelände direkt daneben erneuert.

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Tourenübersicht Hohes Venn

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