Im Wurmtal
Auf Spuren des ältesten Bergbaus
Im Dreiländereck Deutschland, Belgien und Niederlande schließt sich nördlich des Aachener Talkessels in einer dicht besiedelten Region ein eindrucksvoller Naturraum an. Auf etwa 6km Luftlinie zwischen Aachen und Herzogenrath schlängelt sich hier ein kleiner Fluss mit einer bewegten Geschichte durch eine offene Talauenlandschaft.
Der naturbelassene Wurmbach
ehemalige Gruben im Gebiet Teuterhof
Der bis 2024 als Ausgangspunkt für Wanderungen gelegene öffentliche Parkplatz an der L23 am Restaurant „Teuterhof“ ist nur noch für Gäste zugänglich. Daher wählen wir den 300m weiter Richtung Kohlscheid rechts liegenden Parkplatz als Startpunkt. Von hier führte ein Pfad zur Wurm und an dieser entlang zur Brücke und L23. Leider ist dieser nach Hochwasserschäden nicht mehr begehbar.
Viadukt der Grubenbahn
Teuterhof
ehem. Lore am Teuterhof
So gehen wir zur Straße und auf dem gegenüberliegenden Radweg hinunter zur Wurmbrücke an der L23, die bis 1967 hier von einem dreibogigen Viadukt aus Mauerwerk überspannt wurde. Seit 1892 brachte eine Grubenbahn von der „Grube Gouley“ (Würselen–Morsbach) Kohle zur Hauptstrecke nach Kohlscheid. Links liegen die Gebäude der ehemaligen „Teutermühle“.
1569 wird sie erstmals als Mahlmühle mit dem Namen „Tute Mollen“ (Teutermühle) erwähnt. Der Name geht wahrscheinlich auf die mundartliche „Tüt“ (Tüte) zurück, die an ein spitz zulaufendes Grundstück erinnert, und somit den Standort der Mühle wohl an einer Spitzkehre der Wurm vermuten lässt.
Durch Bodenerosion traten im Wurmtal Kohleflöze zutage und konnten an den Hangseiten leicht abgebaut werden, aber es fehlte an technischen Mitteln, Kohle im großen Stil abzubauen. So besaß sie 200 Jahrelang nur die Bedeutung als Brennmaterial. Als die direkt an der Erdoberfläche liegenden Vorkommen erschöpft waren, wurden Stollen in den Berg getrieben und erste Schächte abgeteuft. Ein Chronist berichtet von mehreren tausend winziger Schächte, die allerdings nur bis zum Grundwasserspiegel reichten, da aufwendige Pumpwerke fehlten. Erst durch neue technische Errungenschaften des 17. Jh´s, die das Grubenwasser wieder bis zur Talsohle heben konnten, ermöglichten es, tiefere Schächte zu bauen. Man erkannte nun die Bedeutung der Kohle und so entschloss sich die Stadt Aachen, zur sicheren Versorgung ihrer Bürger und vor allem der bedeutendsten Verbraucher wie der Kupfermeister, in der damals europaweit größten Messingindustrie den Steinkohlenbergbau in ihrem Reich zu unterstützen. Nachdem durch Wünschelrutengänger und Bohrungen im Bereich der Teutermühle reichlich Steinkohle nachgewiesen worden war, errichtete man hier im Jahre 1684 ein eigenes Kohlwerk.
Grube "Teut"
Die Stadt übernahm gleichzeitig die Mühle. Mit dem Wasserrad konnte das Grubenwasser aus den Kohleflözen gepumpt werden. 1737 zeigt eine Zeichnung zwei Schächte bis 53m und 89m Teufe. Trotz großer finanzieller Anstrengungen seitens der Stadt sind jedoch nur geringe wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen gewesen. Schließlich überwogen die Zuschüsse die Ausbeute. 1722 waren laut Lohnliste 68 Bergleute auf der „Teut“ tätig. Bis zum Einmarsch der französischen Truppen im Jahre 1792 entwickelte sich das städtische Kohlwerk aber nie zu einem wirklich ertragreichen Betrieb.
Blick ins Wurmtal
Wurmtalweg zur Adamsmühle
Aufstieg aus dem Wurmtal
Wurmtalweg vor "Mühle Wolfsfurth"
Weiter links befand sich zwischen „Neuen Steinweg“ (Krefelder Straße) und „Wolfsfurth“ die 1761 angelegte Grube „Wolfsfurther Gerißwerk“.
Blick vom Kahlenberg nach Würselen
Blick zum Aachener Talkessel
Wanderpfad alternativ
Biotop am Rande des Radwegs
Nur wenige Meter weiter wandern wir rechts parallel zum Radweg auf einem Naturpfad, der im weiteren Verlauf in einem Asphaltweg übergeht. Nach 300m biegen wir dann rechts ab und wandern noch 500m auf dem Radweg, zwar mit Autolärm aber begleitet rechts und links von Bäumen und Büschen. Sogar mit einer Felswand und einem Biotop zeigt sich unterwegs die Natur. Wir treffen auf einen Fahrweg, der uns rechts unter die mittlerweile autobahnähnliche Bundesstraße zum Wurmtal-Wanderweg führt. Nach der Unterquerung liegt links ein Gebäude mit historischem Rang, „Gut Kaisersruh“. Wie alt das Besitztum „Kaisersruh „ist, steht nicht eindeutig fest. Ein Stein im Torbogen des neben dem Herrenhaus gelegenen Bauernhofs trägt die Jahreszahl 1742. Dieser Stein wurde beim Umbau des Hofes 1904 aus dem alten Torbogen auf Veranlassung des damaligen Besitzers, Georg Nellessen, in den Torbogen eingefügt. Allerdings steht damit nicht fest, dass erst 1742 die Gebäude entstanden sind.
"Kaisersruh"
Angelteich im Park "Kaisersruh"
Im Jahre 1818 weilte zurzeit des Fürstenkongresses Zar Alexander I. von Russland in Aachen. Während seiner Ausritte in die Umgebung besuchte er auch Ludwig von Fisenne, den damaligen Besitzer des Gutes. Er unternahm gerne inkognito Spaziergänge zu dem im englischen Stil angelegten Park. Keiner kannte den Mann, der unter einer knorrigen Eiche in Gedanken verloren saß. Einzig Freiherr Ludwig von Fisenne wusste, um wen es sich in Wahrheit handelte. Noch vor Ende des Kongresses erbat er von Kaiser Alexander I. das Recht, dem Anwesen den Namen „Kaisersruh“ geben zu dürfen. Der Kaiser gab die Erlaubnis und seit dieser Zeit tragen Haus und Park den Namen „Kaisersruh“. Im Laufe der Zeit wurde das Herrenhaus großzügig umgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es nicht mehr ständig bewohnt und sollte eine neue Funktion erhalten.
Der Versuch, in den 70er Jahren einen gastronomischen Betrieb zu eröffnen, scheiterte an Auflagen des Denkmalschutzes und so fristete „Kaisersruh „ jahrzehntelang ein trauriges Dasein. Der Verfall wurde schließlich gestoppt und das Gebäude in seiner äußeren Hülle unter Einschluss der erhaltenen Fassadenteile detailgetreu rekonstruiert. Seit 2018 erstrahlt „Kaisersruh“ wieder in altem Glanz und wird als Büroimmobilie genutzt. Auf dem Bauerngut betreiben die heutigen Besitzer einen Ponyhof.
Wir wandern nun Richtung Wurmtal. Rechts des Weges liegt der einst prächtige Park von Kaisersruh mit zwei herrlich idyllisch gelegenen Angelteichen. Hier weilte der russische Zar Alexander I bei einem Aufenthalt in Aachen gerne. Besonders gerne saß er unter einer alten Eiche, der besagten „Kaisereiche“.
Gedenkkreuz und Lousbergbklick
An der "Wolfsfurth"
Auf dem Asphaltweg folgen wir dem Zeichen „A5“. Nach einer Linkskurve geht der Blick geradeaus zum „Lousberg“ mit dem Drehturm. Am Wegrand steht ein Kreuz zum Gedenken an die Opfer, die in den Kriegsjahren 1944/45 in Würselen ums Leben kamen.
Leicht bergab sehen wir vor uns wieder die „Wolfsfurth“ und wandern vorher den Weg links Richtung Berensberg zur Wurmbrücke (A4). Hier beginnt der ansehnlichste Abschnitt der heutigen Wurm. Gespeist aus mehreren Quellbächen südlich von Aachen wird sie über mehrere Kilometer in Rohren unter dem Stadtzentrum geführt und verlässt schließlich hier an der Kläranlage als einziger Abfluss das Aachener Talbecken. Die Wurm erfüllte in der Vergangenheit viele Funktionen. Sie war nicht nur Abwasserkanal sondern auch Energieträger. Ohne die vielen Tuch verarbeitenden Mühlen wäre die Aachener Tuchindustrie nicht möglich gewesen und auch für die mit der Tuchindustrie eng verbundene Nadelindustrie waren die Mühlen wichtige Energielieferanten und Produktionsstätten.
Landgraben
Obelisk "Blauer Stein"
Hinter der Brücke bleiben wir noch ca. 200m auf dem Talweg. Rechts begleitet uns noch ein alter Arm der Wurm, wie eine Karte von 1825 es noch zeigt. Dann schickt uns das Wegzeichen „A4“ links hinauf. (Abkürzung: geradeaus auf Wurmtalweg) Es ist alter Hohlweg mit urwüchsigen Vegetation und teilweise freiliegenden Wurzeln. Er ist Teil eines spätmittelalterlichen Verteidigungsgrabens der Reichsstadt Aachen. Am Ende sehen wir vor uns einen Obelisken, der uns an die französische Regentschaft im westlichen Rheinland erinnert.
Blick zum "Ravelsberg"
ehem. Restaurant und Jagdhaus
Wir treffen auch auf den „Weißen Weg“, der ebenfalls hier vorbei führt. Nach einer kurzen Besichtigung des Obelisken mit den steinernen Liegen gehen wir 50m zurück, wo wir zunächst noch auf der Zufahrt wegen der schönen Aussicht weitergehen. An dem ersten Gebäude des Ortsteil „Bergerbusch“ gehen wir rechts in den Wald.
Vorbei an einem ehemaligen Restaurant. Es diente in der Zeit, als die Familie Cockerill auf „Schloss Berensberg“ saß, als Jagdhaus. Der rechts liegende tiefe Graben ist Teil eines spätmittelalterlichen Verteidigungsgrabens der Reichsstadt Aachen. Am Ende wandern wir rechts ein Stück auf der Straße „Paulinenhof“ und weiter am Friedhof vorbei und bleiben auf dem bequemen Weg, der uns am Waldrand entlang führt uns vorbei an dem Naturdenkmal „Dicke Eiche“. Rechts im Wald liegt das ehemalige „Hohenberger Grubenfeld“, in dem zwischen 1766 und 1825 Kohle abgebaut worden ist. Spuren von alten Bauen in Form von Pingen sind im Wald noch überall feststellbar.
Wiesenlandschaft
Herbstidylle
Dort geht der Blick auf die mäandernde Wurm. Wild und ungezwungen schlängelt sie sich durch das Tal. Durch die Kraft des fließenden Wassers ändert sich der Gewässerverlauf ständig, immer wieder entstehen neue Rinnen, Kiesbänke, abbröckelnde Steilufer.
An einer Wegegabelung nehmen wir den aufwärts führenden Weg, um noch weitere Spuren des ehemaligen Bergbaus zu entdecken. Hier durchstreifen wir das Feld der ehemaligen Grube „Mespel“. Auch gibt es noch weitere Zeugnisse (Pingen) bergbaulicher Tätigkeit.
Weg zum "Landgasthaus"
Pfad zur ehem. Grube "Spidell"
1892 wurde eine durchgehende Eisenbahnstrecke zwischen den Gruben westlich und östlich des Wurmtales hergestellt. Wir queren diesen kaum noch erkennbaren Bahndamm und erreichen die L23. Hier gehen wir rechts bis zum Parkplatz des Restaurants „Landhaus Wurmtal“ und folgen dem Pfad zwischen Parkplatz und Straße. Nach ca 300m schwenkt dieser links in den Wald und wir sehen linkerhand ein eingezäuntes Grundstück, das einen ehemaligen Kunstschacht der Grube „Spidell“ abgrenzt. Nur noch der Rest eines unterirdischen Ziegelgewölbes erinnert auf dem heute überwachsenden Grubengelände am Wurmtalhang an die ehemalige Grube „Spidell“
Gelände der ehem. Grube "Spidell"
Blick in die Grube "Spidell"
Wir sind durch eine Landschaft gewandert, in der mit der Natur in den letzten Jahrhunderten nicht gerade schonend umgegangen worden ist. Aber von den früheren bergbaulichen Tätigkeiten sind nur wenig Spuren erhalten. Heute ist das Wurmtal ein schöner und bedeutender Naturraum, der seit 1989 zum Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde.
Information: Wanderkarte Nr.1 „Aachen, Eschweiler, Stolberg“ des Eifelvereins, Markierung meist. örtl. Wanderwege „A4“ und „A5“
Strecke: 11,5 km Rundwanderung, unbefestigte und befestigte Wege sowie tlw. Pfade.
Schwierigkeit: mittel, Abkürzungsmöglichkeit bei Verbleib im Wurmtal; Auf- und Abstiege: 200m
Einkehrmöglichkeit: "Landhaus Wurmtal" und "Teuterhof"
Blick ins Wurmtal
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