Die wilde, ungezähmte Wurm
Unterwegs auf dem schönsten Wurmtalabschnitt

Der Lauf der Wurm wurde seit jeher von Eingriffen der Menschen bestimmt. Mühlgräben wurden abgezweigt, Mühlteiche angelegt. Allein in Aachen versorgten über 20 Mühlen Textil- und Metallbetriebe mit Energie. Im weiteren Verlauf kamen Getreide- und Ölmühlen dazu. Die Ufer wurden befestigt, um Erdabbrüche an Wiesen und Äckern zu verhindern.

Heute wird die Wurm mit ihren Quellbächen schon ab dem Stauweiher Diepenbenden in Rohren unterirdisch durch das Stadtgebiet von Aachen geführt. Erst hinter dem Europaplatz wird sie erst wieder sichtbar. Allerdings als gerader, in Stein gefasster Kanal. Hinter der großen Aachener Kläranlage beginnt das idyllische Wurmtal. Bewaldete Hänge säumen eine Wiesenlandschaft, durch die sich der Fluss in Mäandern schlängelt. Nördlich von Herzogenrath, zwischen der Baalsbrugger Mühle und Nievelstein hat sich der naturbelassene Flusslauf erhalten. Ein einzigartiges Gebiet, in dem sich die Natur fast ungestört hat entwickeln können und dem Wanderer ein Gefühl von Freiheit und Ursprünglichkeit gibt.

wilde, ungezähmte Wurm

Starten wollen wir unsere Wanderung zunächst auf der niederländischen Seite an der Abtei Rolduc. Es war Graf Adelbert von Saffenburg aus Mayschoß (Ahr) und gleichzeitig Herr der Burg Rode (Herzogenrath) der es dem Priester Ailbertus erlaubte, 1104 hier eine asketischen Unterkunft und eine Holzkapelle zu bauen, die sich in 900 Jahren zum größten Abteikomplex der Benelux-Staaten entwickelte.

              Abteikirche Rolduc                                           Fischweiher                                   Baalsbruggermühle

 

Durch den Eingangsbogen betreten wir den weitläufigen Innenhof und halten uns links, wo wir vor dem Restaurant und Hoteleingang hinunter zu den dortigen Fischteichen gehen. Vier sind es, an denen wir links entlang leicht abwärts wandern. Um den letzten machen wir einen Rechtsbogen und wenden uns dann links talwärts. Mit einem befestigten Weg erreichen wir die Bebauung und die „Grensstraat“. Rechts liegt noch das ehemalige Zollamt. Wir bleiben noch auf niederländischem Gebiet und gehen links weiter, queren an der Kreuzung die „Merksteinstraat“ und biegen dann in den „Baalsbruggerweg“ ein. Dieser kopfsteingepflasterter Weg bringt uns vorbei an den Baalsbrugger Hof zur alten Mühle. Schon seit dem 12. Jh. gab es hier eine Mühle an der Wurm.
Die Baalsbrugger Mühle wurde Mitte des 17. Jhs als Bannmühle der Abtei gegründet, das heist, die Pächter waren verpflichtet, ihr Korn dort mahlen zu lassen. Die Mühle war bis 1917 in Betrieb, in jüngerer Zeit sogar als Korn- und Ölmühle mit drei Wasserrädern. Nach ihrer Stilllegung verfiel die Mühle. Erst auf Initiative von Marga Wolthuis wurde 2003 eine Stiftung gegründet, die es sich zur Aufgabe macht, die Mühle zu restaurieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Um an die Wurm zu gelangen dürfen wir das Privatgelände der Mühle queren und können anschließend die Wurm auf einem Steg überqueren. Damit betreten wir wieder deutschen Boden, denn die Wurm ist hier gleichzeitig Grenzfluss. An der Straße informiert eine Schautafel über den 2019 von den Merksteiner Naturfreunde angelegten Wanderweg „WasserWeg Wurm/Worm“. Diesen Weg werden wir aber in umgekehrter Richtung gehen. Die Markierung zeigt an der „Grenzstraße“ nach links und da sich hier der Kreis des Wanderweges schließt, wandern wir entgegen der Markierung geradeaus. Am Kreisverkehr geht es 100m links auf der „Bicherouxstraße“ und wir biegen dann vor Haus 105 rechts in den leicht ansteigenden Grasweg ein.

 

  Blick zurück übers Wurmtal           Nievelsteiner Sandwerke                        Solaranlage

Da, wo dieser einen Linksbogen macht, lohnt sich einmal zurück zu schauen, wo sich auf der anderen Talseite die Kirchturm von unserem Ausgangspunkt zeigt. Im Tal liegen die Industrieanlagen der Glaswerke St. Gobain. Immer noch leicht ansteigend ist der Weg dann von Büschen begrenzt. Wir stoßen auf einen Asphaltweg und gehen diesen 50m rechts, um anschließend links einzubiegen. Auch hier zeigt sich ein schöner Blick zurück. Es ist ein Kies-Grasweg, der damit auf den hier anzutreffenden Boden hinweist. Denn Sand ist hier ein begehrter Bodenschatz und so treffen wir auf die Zufahrt der Nievelsteiner Sandwerke. Bereits die Römer kannten und nutzten den Nievelsteiner Sand. Das Abbaugebiet war bereits im Mittelalter bekannt. Der Aachener Dom und das Aachener Ponttor wurden neben einer Vielzahl historischer Bauten in der näheren Umgebung zum Teil aus dem Sandstein der Nievelsteiner Gruben errichtet. Das Sandvorkommen war Ausgang für die Entstehung der Glasindustrie im Aachener Raum. Noch heute wird der Quarzsand für die in Herzogenrath angesiedelte Flachglasproduktion sowie als Gießereisand abgebaut. Heute befindet sich unter anderem der größte Solarpark NRWs auf dem Gelände. Wenn wir Glück haben, kann man rechts bei geöffnetem Tor einen Blick in die Abbaugrube werfen und im rückwärtigen Teil die große Solaranlage erkennen.

            WurmWasserweg                                        Grüner Weiher                                 "Anna Nöhlen Brücke"

 

Wir gehen die Zufahrt hinunter und biegen auf halber Strecke zur Talstraße rechts in den Wiesenweg ein. Zwischen bewaldeten Hang rechts und der Hecke links mit den dahinter liegenden Wiesen geht es auf einem idyllischen Weg zu einem Info-Punkt mit zwei behelfsmäßig zusammen gezimmerten Stühlen. Von hier hat man freie Sicht ins Wurmtal mit Haanrade sowie zu der gegenüberliegenden Talseite. Vor einem allein stehen Haus geht es rechts hinunter zu einem Waldweg. Rechts liegt der Platz des Heimatvereins Worm Wildnis. Wir wandern links auf einem bewaldeten Hohlweg zum kleinen Ortsteil Worm und stoßen auf die „Bicherouxstraße“, wo gegenüber ein Rastplatz liegt. „Zu den Wurmauen 340m“ zeigt ein Hinweisschild links auf der Straße durch die Unterführung der Eisenbahnstrecke Aachen-Mönchengladbach. Dort verlassen wir die „Grenzstraße" mit Info-Tafel zum Wurmtal und wandern nun parallel zum Eisenbahndamm und den Wurmauen zur linken. Hier liegt versteckt der sog. „Grüne Weiher“. Er ist ein ehemaliger Sandfang der Nievelsteiner Sandwerke. Baumbestände sind an einigen Stellen bis in die Baumkronen mit hinaufwachsenden Lianen der Waldrebe bedeckt und vermitteln so einen urwaldähnlichen Eindruck.
Nur 200m weiter liegt links der Flaschenweiher, es ist ein verwunschener und einsamer Ort. Aber das war nicht immer so. 1860 gab es hier eine Flaschenfabrik, und der Teich diente als Kühlwasser. Um Glas herzustellen brauchte man Sand. Den gab es hier reichlich im Sandsteinbruch gleich hinter der Bahnstrecke. Aber viel Erfolg hatte die Fabrik nicht. Nach kaum 20 Jahren war es aus. In das verlassene Gebäude zogen nach dem 1. Weltkrieg arme Familien ein. Die hatten dort in dem feuchten, kalten Gemäuer ein elendes Leben. Später bekamen sie richtige Wohnungen in Merkstein. Die Reste der alten Flaschenfabrik wurden 1967 abgerissen. Der Flaschenweiher ist die letzte Erinnerung an die Fabrik.
Wir erreichen eine Fußgängerbrücke, die den Namen einer mutigen Frau trägt, Ann Nöhlen. Sie verhalf in der NS-Zeit Juden zur Flucht. Ihre Tätigkeit wurde bekannt und im April 1942 deshalb ermordet.
Seit Jahrhunderten führt hier eine Brücke über die Wurm. Ab dem Mittelalter existierte hier an der Wurm der kleine Ort Nievelstein, der im Jahr 1117 erstmals urkundlich erwähnt wird, Wahrscheinlich wurde hier etwa 100 Jahre später das „feste Haus Kaminata“ errichtet, eine Vorburg zum Schutz der Herrschaft Rimburg. Denn schon damals bildete die Wurm hier eine Grenze, die zwischen der Herrschaft Rimburg im Herzogtum Limburg und Eygelshoven, das zum Heydener Land im Herzogtum Jülich gehörte.
1692 verzeichnet das Jahrbuch von Rolduc hier 4 Bauernhöfe. Auf beiden Seiten der Wurm trieben Wasserräder Getreide- und Ölmühlen an. Von 1800 an nutzten mehrere Gewerbebetriebe die Kraft des Wurmwassers. 1825 entstand eine Textilfabrik mit Walkerei, Spinnerei und Färberei. 1841 kommt eine Tuchfabrik dazu. 1848 betrieb die Familie Stollenwerck in der Hofanlage Nievelstein ein Restaurant und Hotel. Am niederländischen Ufer florierte bis 1938 ein „Colonial- und Fleischwarengeschäft“. Sogar eine Kraut- und Marmeladenfabrik gab es zeitweise. Am 10. Mai 1940 zogen deutsche Soldaten über die Brücke, um das neutrale Nachbarland zu besetzen. In umgekehrter Richtung waren es im Oktober 1944 amerikanische Soldaten, die den Fluss querten. Im Jahr 1949 annektierten die Niederlande das Gebiet westlich der Eisenbahnlinie Aachen – Mönchengladbach. Erst der Staatsvertrag von 1963 legt den Fluss endgültig als Grenze zwischen den beiden Ländern fest.
Heute ist Nievelstein ein verlassener Ort und wurde durch die Kriegsereignisse des zweiten Weltkrieges völlig zerstört. Die meisten Gebäude waren schon während des Krieges verfallen. Auf der niederländischen Seite hatte die Zeche Laura & Vereening die Häuser gekauft und das Gelände teilweise mit Abraum überschüttet. Nur der ehemalige Hof Baurs blieb für die Verwaltung der Nievelsteiner Sandwerke erhalten. Damit endete eine lange, wechselvolle Geschichte und es bleibt nur die Erinnerung.
Wir überqueren die Brücke und befinden uns wieder auf der niederländischen Wurmseite. An die seit 1815 inmitten des Flusses verlaufende Grenze hält sich die Wurm aber wenig. Nach starken Regenfällen ändert sie oft ihren Lauf. Dann reißt die Kraft des Wassers große Stücke der Steilufer ab, oder die flachen Ufer werden überschwemmt. Manchmal sucht sie sich ein neues Bett und es entstehen neue Inseln und Kiesbänke. Auch der Wanderer spürt von der Grenze nichts und bewegt sich in einer grenzenlosen Landschaft und erlebt auf den nächsten 1,2km eine einzigartige natürliche Flusslandschaft. Hier kann die Natur sich noch frei entfalten.
Durch ein Viehgatter betreten wir einen eingezäunten Bereich, der besonders durch freilaufende Galloway Rinder extensiv gepflegt wird. Der Besucher wird darauf aufmerksam gemacht, dass man die Tiere als wildlebend betrachten und nicht füttern sollte. Für sie gibt es genügend natürliches Futter, sogar in den Wintermonaten. Sie sorgen dafür, dass nicht alles mit Wald zuwächst und dass auch Lichtungen erhalten bleiben. Halten sie bitte genügend Abstand, vor allem, wenn Jungtiere in der Herde sind.

 

                 Gallowayrind                                                    Natur pur                                         Flussschleife

Die Wurm fließt in weiten Bögen, mal schnell, mal langsam. Es gibt kleine Wasserfälle und seichte Buchten, Kiesinseln und sumpfige Auen. Bei Hochwasser wird alles überschwemmt, dann stürzen auch mal die alten Bäume um. Sie dürfen, soweit mit dem Hochwasserschutz vereinbar, zur Biotopvielfalt im Fluss liegen bleiben und bieten vielen Tieren einen guten Unterschlupf. Aber irgendwo wachsen wieder neue Bäume und Sträucher. Eine Begradigung der Wurm wurde in 1970er Jahren erfreulicherweise verhindert. Damit ist ein einzigartiger Lebensraum für Fauna und Flora und die Schönheit dieser einmaligen Landschaft erhalten geblieben. An den Uferbruchkanten findet der seltene Eisvogel, der als Brutvogel an mehreren Stellen im Wurmtal vorkommt, ideale Nistmöglichkeiten. Leider haben wir keinen entdecken können.

                     Wanderpfad                               Blauflügelige Prachtlibelle                         Japanknöterich

 

Dafür fällt uns am Ufer besonders die Blauflügel Prachtlibelle auf. Sie bevorzugt kleine, kühle und saubere Fließgewässer mit schattigen Bereichen. Der Japanknöterich und das indische Springkraut einst als Zierpflanze nach Europas gebracht, gedeihen entlang des sonnigen Bachufers hier prächtig. Hinter auf einem Damm liegenden Weiher, zu dem wir noch einen Abstecher machen, verlassen wir die Wurmauen. Links liegt noch ein kleines Biotop bevor wir durch ein Gatter die Bahnstrecke der Euregiobahn (Heerlen - Aachen) überqueren. Auf der „Meuserstraat“ geht es 50m links und dann rechts in die „Kloosterbosvoetpad“ weiter. Am Ende liegt der Friedhof vor dem wir links auf einem ziemlich verwachsenen Pfad gleich hinter den Grundstücken weiter wandern. Vorbei an der links liegenden Kirche von Haanrade und einem Einzelnen Haus (149) rechts geht es geradeaus durch einen Hangwald. Mit einem Pflasterweg endet dieser Teil an einem Spielplatz, der sich mit Bänken und Tisch auch für eine Rast eignet. Weiter geht es ca. 100m rechts an der Straße „Haanraderweg“ aufwärts und dann links an einer Bank in den abgehenden Fußpfad. Unser Pfad führt um ein rechts liegendes kleines Biotop hinunter bis zu einem querlaufenden Pfad dem wir links folgen.
Die Markierung ist hier mit einem weißen Punkt an den Bäumen gekennzeichnet. Nach einem kleinen Anstieg macht der Pfad einen Linksbogen, womit wir ein kleines Tälchen umrundet haben. Aber schon nach 100m ändern wir erneut unsere Richtung mit dem rechts geradeaus führenden Weg, nicht den halbrechts.
Auch hier hat es Bergbau gegeben. Im Beerenbosch (Bärenwald) standen bis 1969 auf dem Gelände die Schächte Beerenbosch I und II und eine Abraumhalde. Diese wurde nach dem Motto „Von Schwarz zu Grün“ 1977 um 20 abgetragen und in ein wunderschönes Natur- und Erholungsgebiet umgewandelt.
Es geht oberhalb der links unten vorhandene Bebauung im Wald durch den Talhang bis wir auf eine offene Wiesenfläche mit Obstbäumen kommen. Hinter der Obstwiese biegt der Weg links hinunter zum „Beerenbosweg“. Diesen befestigten alten Hohlweg folgen wir nun rechts aufwärts. Mit einem Rechts- und Linksbogen haben wir dann die Höhe erreicht. Gegenüber einer Zufahrt von einem Freizeitgelände verlassen wir den Asphalt steigen links die Böschung hinauf und folgen dem Pfad entlang der freien Feldlage.

 

   Halde Adolf u.Carl Alexander                Blumenwiese am Wegesrand                                    Kapelle

Links haben wir eine weite Sicht Richtung Deutschland mit den Bergehalden von Adolf/Merkstein und Carl Alexander/Baesweiler. Eine wunderschöne Wiese mit vielen Wildblumen liegt links am Wegesrand. Vor uns sehen wir halblinks schon mit der Abteikirche unseren Ausgangspunkt, Vorbei an einem Kapellchen haben wir schon bald das Ende der Wanderung erreicht. Ein anschließender Besuch der Abteikirche mit der Krypta ist lohnenswert.

Information: größtenteils „WasserWeg Wurm/Worm", in Gegenrichtung aber nicht markiert, Markierung weißer Punkt ist schlecht zu erkennen.

Strecke: 10km Rundwanderung, befestigte, meist unbefestigte Wege, tlw. Pfade

Schwierigkeit: leicht, Auf- und Abstiege 140m

Einkehrmöglichkeit: unterwegs keine, im Restaurant der Abtei

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